Sonntag, 23. November 2008

Seehundjagd

Cape Palliser

Von der Innenstadt Wellingtons hatte ich erstmal genug, daher sprang ich ins Auto und fuhr zum Cape Palliser, das so ziemlich der südlichste Punkt der Nordinsel Neuseelands sein sollte. Davor machte ich kurz halt am Pier bei Lower Hutt, dem Städtchen vor Wellington, in dem mein Campingplatz gelegen war.


An eindrucksvollen Hügelketten vorbei fuhr ich die rennstreckenartige Straße nach Süd-Osten und hinterließ eine Wanderdüne an mitgebrachtem Straßenstaub auf dem Parkplatz am Leuchtturm. Dank meiner mittlerweile hervorragenden Kondition ;) waren die paar Stufen zum Leuchtturmhügel mit Leichtigkeit geschafft und ich wurde belohnt mit einem weitreichenden Blick zurück auf die Küstenstraße.




Ich hatte Glück und der Blick war sogar so weitreichend, dass man die Bergkuppen der Südinsel sehen konnte.


Das Beeindruckendste kam aber erst auf dem Rückweg: Nur ein kleines Stück vom Leuchtturm entfernt gab es eine Felskette, an der eine Seehund-Kolonie in freier Wildbahn lebt. Man kann also - ohne von Zäunen oder Gittern aufgehalten zu werden - auf die Felsen klettern und die Seehunde in ihrer natürlichen Umgebung beobachten. Im Grunde sind diese ulkigen Tiere recht friedlich, doch man sollte ihnen nie den Fluchtweg zum Wasser abschneiden (besonders, wenn sie Jungtiere haben, was momentan der Fall ist), denn sonst kann es vorkommen, dass sie angreifen. Daher war es sehr aufregend, sich langsam durch die Felsen vorzuarbeiten, weil hinter jedem Stein eines dieser Tiere, die eine beachtliche Größe erreichen können, in der Sonne dösen könnte. Ich konnte mich bis auf wenige Meter an die Seehunde heranschleichen, doch die meisten ließen sich überhaupt nicht stören. Nur einmal setzte sich einer der "Aufpasser"-Seehunde in meine Richtung in Bewegung, was von meiner Seite mit einem strategischen Rückzug und etwas Raumverlust beantwortet wurde.






Als ich mich satt gesehen hatte, fuhr ich über die kurvige Küstenstraße wieder zurück und kam noch an Rugby-spielenden Schafen vorbei.




Samstag, 22. November 2008

Joggerinvasion

Von Napier nach Wellington

Kaum war ich auch nur ein paar Kilometer aus Napier heraus gefahren, wurde das Wetter auch schon wieder schlechter. Die Stadt scheint also wirklich in so einer Art Sonnenloch zu liegen... so ähnlich wie Hamburg nur andersrum. ;)
Es ging ziemlich direkt nach Wellington, ich hätte zwar an dem Ort mit der längsten Ortsbezeichnung der Welt halt machen können und ein Foto am Ortseingang machen können, aber das wäre ein Umweg von mehr als hundert Kilometern durch den Busch gewesen. Nur zur Info, der Ort heißt "Taumatawhakatangihangakoauauotamateaturipukakapikimaungahoronukupokaiwhenuakitanatahu" (keine Gewähr für Tippfehler) und ist damit noch länger als "Llanfairpwllgwyngllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch" in Wales. Übersetzt heißt der Ortsname ungefähr "Die Kuppe des Hügels wo Tamatea, der Mann mit den großen Knien, der Berge schob, erklomm und verschluckte, bekannt auch als Landesser des Landes, für seinen Bruder Flöte spielte". Und diese Inhalt in nur einem Wort... maori ist schon eine kompakte Sprache.
Kaum war diese Ortsbezeichnung korrekt im Reiseführer durchgelesen, hatte ich die 300km nach Wellington auch schon geschafft. Wellington ist wieder so eine Stadt, die in Wirklichkeit ganz anders aussieht als man sie sich aufgrund des Stadtplans vorstellt. Die Straßen sind zwar ziemlich rechtwinkelig angelegt, aber den Höhenunterschied und die Enge merkt man erst, wenn man selbst da ist. So war auch mein erster Eindruck von Wellington ein eher stressiger als ich auf der Suche nach dem einzigen Campingplatz in der Stadt war. Nachdem ich mich ca. 17einhalb mal verfahren hatte und einige Straßen mit geschätzten 40% Steigung (kein Scherz!) überwunden hatte, fand ich das recht abgewrackte Haus, in dem ich nach dem Zeltplatz fragte. Der verlauste und definitiv unter Drogeneinfluss stehende "Rezeptionist" kratzte sich das Ungeziefer aus der Mütze und winkte mich mit einer Hand hinters Haus, wo ich eine wuchernde Wiese vorfand, auf der erst ein Dutzend grüner Daumen die Sense schwingen müssten, bevor man dort ein Zelt auch nur halbwegs waagerecht aufstellen könnte. Also rollte ich ratzfatz mit meinem Autochen die klippenartige Auffahrt zurück auf die Straße und war nach meiner Irrfahrt schon bereit, im nächsten Hostel abzusteigen. Dieses war aber voll und die Straßen schienen auch immer enger zu werden, weil die Leute gen abend so langsam von der Arbeit nach Hause kamen und ihre Fahrzeuge auf beiden Seiten in die sowieso schon schmalen Straßen stellten. Nach deutschen Verhältnissen wäre damit nur noch eine Fahrspur frei gewesen, was aber niemanden davon abhielt im aufgerundeten Stadttempo in beide Richtungen weiter zu heizen und die Rückspiegel einem erweiterten Belastungstest zu unterziehen. Einheimische erkannte man daran, dass sie die Rückspiegel eh schon eingeklappt hatten. Verkehrstechnisch also schon fast römische Verhältnisse, nur dass weniger Vespas unterwegs waren, was die Lage nicht gerade entspannte.
In diesem Moment beschloss ich, dass Wellington mit dem eigenen Auto nur von Verrückten befahrbar ist und schlug das Zelt ein Stück vor der Stadt auf, von wo ich am nächsten Tag bequem mit dem Bus in die Stadt fuhr, denn in Wellington scheint es genau so viele Parkplätze wie Campingplätze zu geben.

Nach der entspannten Busfahrt wurde zuerst der Stadtspaziergang abgelaufen, um sich einen ersten groben Eindruck zu verschaffen. Gestartet wurde im Regierungsviertel - Wellington ist übrigens die Hauptstadt von Neuseeland, falls das irgendwer noch nicht wissen sollte. Herausstechend war hier das Beehive, das auch wie ein Bienenstock aussieht. Geschmacksache ist die Interpretation der dort arbeitenden Regierungsangestellten als dementsprechend fleißige Bienen, aber die würden sich schon zu beschweren wissen.


Es ging weiter zu den Government Buildings, die 1876 errichtet wurden und zu den größten Bauten der Welt gehören, die komplett aus Holz sind (gegen Colossos im Heidepark können die natürlich nicht anstinken). Von außen sieht man dem Gebäude erstaunlicherweise überhaupt nicht an, dass es nur aus Holz besteht.


Durch die Haupteinkaufsstraße, die der Queenstreet in Auckland recht ähnlich sieht aber irgendwie gemütlicher anmutet, kam ich zum Lambton Harbour und damit endlich zum Wasser.


Es war bestes Wetter und um die Mittagszeit, was ein verrücktes Schauspiel nach sich zog. Auf einmal war die Promenade mit Hunderten von Joggern bevölkert, die ihre Mittagspause mit außenwirksamer Körperertüchtigung verbrachten. Als nicht im Marathon-Dress gekleideter und im Schritttempo Flanierender war man auf einmal hoffnungslos in der Unterzahl und kam sich plötzlich so unglaublich unsportlich vor. Schnell betrat ich das Te Papa, angeblich DAS Museum Neuseelands, das mit seinem protzigen Bau (der übrigens 317 Mio NZD verschlungen hat) das Ufer beherrscht. Meiner Meinung hält das Museum innen aber nicht ganz, was es außen verspricht: Es ist unglaublich modern aufgemacht und überall hängen überdimensionale Flachbildfernseher mit übervisualisiertem Infomaterial. Der Inhalt leidet aber leider etwas darunter, dass große Räume mit bunten Lichtern gefüllt werden und die Flächen mit Leuchtschrift überzogen werden. Alles in allem kam ich mir ein wenig vor wie auf der Expo 2000 in Hannover in einem der unzähligen Pavillions: Alles war bunt und groß und schön und ah und oh... aber die Botschaft / Aussage / Information blieb oft auf der Strecke.
Wirklich beeindruckend war das marae (Versammlungshaus), in dem wichtige maori Stammesführer empfangen werden. Hier wurden die traditionellen maori Muster, die ich schon an anderen Versammlungshäusern gesehen hatte, mit Farben und Strukturen anderer Kulturen innerhalb der Schnitzereien vermischt. Damit wurde es sozusagen für alle Kulturen und alle Menschen geöffnet und durchbricht die Abgeschlossenheit, in der sich die maori sozial gesehen in Neuseeland bewegen. Eine bedeutende Geste, beeindruckend gestaltet.




Dann gab es da noch überlebensgroß die Treaty of Whitiangi zu sehen, das Gründungspapier Neuseelands,...


... und ein paar skurille Figuren auf der "Skulpturen-Terrasse".


Anstatt mir - wie in Napier - die Füße wund zu laufen, ließ ich mich mit dem stadtberühmten Cable-Car (so eine Art Schienenfahrzeug am Seil) den Berg nach Kelburn hochziehen, wo es durch den sehr schönen Botanic Garden wieder zurück in die Stadt ging. Im grandiosen Rosengarten verbrachte ich so viel Zeit, dass ich jetzt mit Rosenbildern nur so um mich werfen kann. ;)







Art-déco

Napier

Napier wurde 1931 von einem Erdbeben praktisch völlig zerstört. Die 258 Toten, die es dort und im benachbarten Hastings gab, waren noch nicht betrauert, da fingen eifrige Stadtplaner schon an, dem Ort ein neues Gesicht zu geben. Es musste schnell gehen, es musste billig sein und es durfte nicht vollkommen daneben aussehen. Also verband man eckige und einfache Bauweise mit ein paar draufgeklatschten Schnörkeln, Mustern und sonstigem Klimmbimm und zog innerhalb von zwei Jahren die Stadt vollständig wieder hoch. Damit war das neue Napier geboren, das heute immer noch eine der Städte mit den größten Art-déco-Architektur Dichte der Welt ist.
Ein Stadtspaziergang war also Pflicht und ich klapperte brav ein Art-déco-Gebäude nach dem anderen ab.




Ich merkte schnell, dass Art-déco nicht sooo spannend ist, und genoss die knuffige Innenstadt Napiers ohne großartig weiter auf bestimmte Bauten zu achten. Der steinige Strand lud leider nicht besonders zum Verweilen ein, also versuchte ich mich am Pro-AM Minigolf Kurs, der mir schon im Reiseführer aufgefallen war, weil es so gelobt wurde. Minigolf wird hier übrigens amerikanisch gespielt, also mit richtigen Golfbällen und unbarmherzigen 90° Winkeln... gar nicht so einfach und absolut nicht mit dem zu vergleichen, was man in Deutschland unter Minigolf versteht.


Nach Sieg durch - Achtung Füße hoch! - Golden Hole verlief ich mich zielgerichtet in den Hügeln von Napier. Eigentlich wollte ich nur noch kurz auf dem Rückweg vom Campingplatz einen Schlenker über einen Aussichtspunkt machen, doch dieser Schlenker entpuppte sich schnell als halber Jakobsweg. Auf meiner Karte war das nur eine gerade Straße von ca. 100m Länge. In Wirklichkeit wurde daraus ein locker 500m langer Serpentinenpfad mit nicht zu verachtender Steigung (inklusive diverser Amateur-Rallyfahrer, die mich darauf fast über den Haufen fuhren). Nach einer mittelmäßigen Aussicht (der Aussichtshügel heißt sarkastischerweise Bluff Hill), von der ich aus Protest an den blöden Aufstieg kein Foto einstellen werde, wollte ich diese Serpentinen auf keinen Fall wieder herunter latschen und nahm daher den Weg auf der anderen Seite des Hügels... was, wie sich noch zeigen sollte, ein Fehler war, denn unten angekommen, ließ es sich nicht vermeiden, die eben verlassene Hügelkette(!) erneut zu erklimmen, um zumindest in die grobe Richtung des Campingplatzes zu kommen.
Zur Belohnung für diesen unnötigen Fußmarsch gab es Erdbeeren mit Sekt am Pool... selbstgemacht! :)


Den zweiten Tag in Napier verbrachte ich damit, mich von dem bisherigen Rumgereise (besonders dem unfreiwillig langen Stadtspaziergang am Vortag) ein wenig zu erholen, zu bloggen und mich mental auf das Abendessen vorzubereiten. Ich hatte bisher auf jedem Campingplatz mehr als ausreichend viele BBQ-Grills gefunden, was ich nicht ungenutzt lassen wollte. Ich kaufte schnell ein paar Kumara-Kartoffeln, Zwiebeln, ein wenig Fleisch und ab auf den Grill damit. Magen gefüllt, Abend perfekt! :)

Stimmungskorrelation

Vom East Cape nach Napier

Morgens kurz vor fünf Uhr stand ich auf und begann den kurzen aber anstrengenden Aufstieg zum East Cape Lighthouse, um dort die Sonne als erste Menschen zu begrüßen. Die Sonne war trotz meiner Anstrengungen, mich als Frühaufsteher zu betätigen, aber - wie immer - schneller und ich sah keinen Sonnenaufgang, als ich endlich am Leuchtturm ankam. Ein kleiner Trost war, dass ich ziemlich sicher sowieso keinen Sonnenaufgang gesehen hätte, denn der Himmel war völlig wolkenverhangen und man konnte nur feststellen, dass die Sonne schon aufgegangen war, weil es generell einfach recht hell war.
Zu meiner Überraschung traf ich oben am Leuchtturm zwei kleine Gruppen von Globetrottern, die wohl den gleichen Plan hatten wie ich. Richtig spannend war da die Frage, wo diese Leute wohl in der total verlassenen Gegend übernachtet hatten, da ich als einziger auf dem einzigen Campingplatz weit und breit gestanden hatte und es außerdem nur eine Straße zum East Cape gab, an der mein Campingplatz gelegen war. Naja, vielleicht waren sie ja ganz, ganz früh aufgestanden und waren direkt von Te Araroa hergefahren... ich werde es nie erfahren.


Ich rieb mir am Leuchtturm den letzten Schlaf auf den Augen und genoss den dadurch immer klarer werdenden Ausblick auf den trüben Südpazifik. Damit sollte mein Eindruck vom östlichen Teil der Nordinsel aber auch schon fast beendet sein, denn ich hatte nach dem Abstieg vom Leuchtturm genug von der trostlosen Stimmung und beschloss, den restlichen Teil des SH 35 möglichst schnell hinter mich zu bringen. Auf meinem Weg nach Süden machten ich nur einmal kurz Halt an der Tolaga Bay, wo es den mit 660m längsten Pier Neuseelands zu bestaunen gab. Dieser wird allerdings schon seit langem nicht mehr benutzt und verfällt daher zusehens - trostlos aber auch irgendwie melancholisch schön. Dies und der über und über mit Treibholz bedeckte Strand trugen aber auch nicht gerade zu einer heiteren Stimmung bei, daher fuhr ich nach ein paar Fotos weiter. Bei Gisborne an der Poverty Bay kam ich endlich zum Ende des SH 35 und setzte meinen Weg an der malerischen Mahia Penisula und der rauen Hawkes Bay fort.
Das Ziel für den Abend war Napier, eine der Städte mit den meisten Sonnentagen Neuseelands. Und tatsächlich: Wenige Kilometer vor Napier waren die Wolken plötzlich wie weggepustet, die dicken Pullis wurden ausgezogen und ich erlebte die direkte Korrelation von Qualität des Wetters und Gemütsstimmung am eigenen Leib.



Mittwoch, 19. November 2008

Der Anfang der Welt

Von Rotorua zum East Cape

An diesem Tag entfernte ich mich weiter von meinem Startpunkt Auckland als ich es in der gesamten vorangegangenen Woche getan hatte. Rotorua war ausreichend besichtigt worden also machte ich mich in Richtung Osten auf den Weg. Von Rotorua erst ein Stück nord-östlich durch den Tarawera Forest bis an die Küste der Bay of Plenty, wo ich kurz in Whakatane halt machte und danach am Ohope Beach und Waiotah Beach vorbei kam. Rechts und links immer wieder begleitet von bis zu 10m hohen Hecken, die die Kiwi-Plantagen vor dem oft starken Wind schützen sollen. Bei Opotiki kam ich auf den State Highway (SH) 35, dessen 350km ich bis zum East Cape gut zur Hälfte abfuhr. Hört sich nicht nach einer Gewaltfahrt an und sieht auf der Karte auch nicht sonderlich problematisch aus, doch zu unterschätzen ist diese Strecke auf keinen Fall. Die kurvige Straße führt fast nur durch hügeliges Land (noch hügeliger als man es in Neuseeland eh schon gewohnt ist) und bietet keine Möglichkeit, den Berg hochkriechende Laster zu überholen, auf die man ab und zu doch mal trifft. Daher dauerte der Bau des SH 35 auch mehrere Jahrzehnte und verschlang so viele finanzielle Mittel wie selten ein Straßenprojekt in Neuseeland.
Wem diese Straße eigentlich nutzen soll, fragt man sich spätestens, wenn man Opotiki hinter sich gelassen hat und ein paar Kilometer an der Küste der Bay of Plenty zurückgelegt hat. Die East Coast ist eines der am wenigsten besiedelten Gebiete der neuseeländischen Nordinsel und die auf Touristen oder auch nur auf Backpacker ausgelegten Orte am SH 35 kann man auch an zwei Daumen abzählen: Opotiki, dort fängt die Straße an, und Gisborne, dort endet die Straße. Dazwischen gibt es nur 350km Ausblicke auf dramatisch unberührte Strände (Treibgut!) und nebelverhangene Hügel. Die paar Orte, durch die ich hindurch kam, wirkten sehr heruntergekommen und ärmlich, fast schon ausgestorben. Wenn man dazu dann noch weiß, dass die East Coast einer der Landstriche mit der höchsten Maori-Dichte unter der Bevölkerung ist, dann wirft das ein leicht trostloses Licht auf eines der großen sozialen Probleme des Landes. Trostlos ist auch eigentlich das richtige Wort, um diesen ganzen Tag zu beschreiben, denn so richtig gute Laune will sich nicht einstellen, wenn man stundenlang an verfallenden Hütten und nebeligen Stränden vorbeituckert.
Bei dem problemlos übersehbaren Ort Te Araroa verließ ich den SH 35 zu Gunsten einer Schotterpiste, die mich zum East Cape führte. Dort wollte ich mir den Leuchtturm am östlichsten Punk Neuseelands anschauen, doch mittlerweile war es schon so dämmerig, dass der 20minütige Aufstieg (über privates Land!) bei Tageslicht nicht mehr zu schaffen war. Ich rastete also auf dem einzigen (und vollkommen verlassenen; niemand war dort!) Campingplatz in der Gegend mit dem Plan, um morgen als allererster auf der Welt vom Leuchtturm am East Cape die Sonne aufgehen zu sehen. Ohne ein Zeichen von jeglicher menschlicher Existenz fühlte sich das East Cape an wie das Ende der Welt, aber technisch gesehen ist es dank Datumsgrenze ja der Anfang der Welt... sozusagen.


Sonntag, 16. November 2008

Bunte Thermalwelt

Rotorua

Auch mein zweiter Tag in Rotorua stand im Zeichen thermaler Aktivitäten. Dampfende Seen und blubbernde Schlammlöcher hatte man ja schon gratis im Kuirau Park ansehen können, aber um einen waschechten Geysir in Aktion sehen zu können, besuchte ich dann doch das Waiotapu Thermal Wonderland. Pünktlich um 10:15 wurde dort der Geysir mit etwas Seife gefüttert, um die Oberflächenspannung des Wassers in den unterirdischen Kammern herunter zu setzen und damit eine Eruption zu zünden. Nach einem gewaltigen Ausbruch von 15m spuckte der Geysir noch über eine halbe Stunde Wasser. Interessant war die Zuschauerreaktion: Um 10:15 waren die Sitzbänke (!) vor dem Geysir noch restlos gefüllt, wenige Sekunden nach der ersten Eruption hatten viele Power-Touris ihre Fotos schon gemacht und hetzten gen Ausgang, um auch ja die ersten im restlichen Thermal Wonderland zu sein. Nach und nach leerte sich auch letzten Plätze während der Geysir immer noch munter vor sich hin blubberte. Übrig blieben zwei Dutzend deutsche Touristen, die nach dem Motto "Ich hab für einen ganzen Geysir bezahlt, ich bleibe bis das Ding zu Ende geblubbert hat!" ausharrten. Dummerweise könnt Ihr als Leser jetzt anhand meiner Beschreibung genau einordnen, in welche Kategorie Touri ich gehöre. :) Ganz bis zum Schluss hielt ich es dann aber doch nicht aus und schaute mir das restlich Thermal Wonderland an, das über und über mit thermalen bzw. geologischen Besonderheiten vollgestopft war. Mit der Wissenschaft dahinter habe ich mich nie auseinander gesetzt, aber im Grunde läuft es darauf hinaus, dass geothermische Aktivitäten die Erde erhitzen, woraufhin sich mit der Zeit verschiedene Ablagerungen bilden, die nett anzusehen sind, weil sie bunt sind.








Nach diesen ganzen heißen Steinen war mir nach einer Erfrischung zumute und ich fuhr zum Kerosine Creek, einem der wenigen Plätze, an dem man gratis ein thermales Bad nehmen kann. Von außen sieht der Bach aus wie jeder andere, doch spätestens wenn man den ersten Zeh ins Wasser hält, merkt man den Unterschied: Das Wasser ist wohl so um die 40° warm und damit fast schon zu heiß zum Schwimmen geschweige denn Erfrischen. Trotzdem stellte ich mich ein paar Minuten unter den kleinen Wasserfall. Im feuchten Winter muss dieser Bach sehr gut besucht sein, könnte ich mir vorstellen.


Und es ging weiter mit dem Besuch der Auswirkungen der thermalen Aktivitäten: 1886 kam es zum Ausbruch des Mt. Tarawera, eines der Vulkane hier in der Gegend. Insgesamt acht Dörfer wurden fast völlig vom niedergehenden Schlamm bedeckt und ca. 150 Menschen verloren ihr Leben bei dem Ausbruch. Sieben dieser Dörfer sind noch immer vergraben, Te Waiora allerdings wurde in den letzten 20 Jahren mehrfach von Archäologen besucht und fast vollständig ausgegraben. Heute kann man sich die Ergebnisse dieser Arbeit im Buried Village ansehen. Dieses Dorf war besonders interessant, weil es in der Nähe der Pink and White Terraces lag (das sogenannte achte Weltwunder). Diese natürlichen Kalksteinterrassen lockten schon in den 1870er Jahren eine Menge Touristen in die Gegend. Leider wurden sie jedoch bei dem Ausbruch zerstört und können jetzt nur noch als Fotografien in dem kleinen Museum des Villages bewundert werden.
Ich hatte das "Glück", von einem der angeblichen Nachfahren des Dorfzauberers von Te Waiora aufgegriffen zu werden. Der Maori erzählte mir einiges Interessantes über das verschüttete Dorf und riss dabei so ehrfürchtig die Augen auf, dass ich ihm fast glauben konnte, dass er wirklich von einem Dorfschamanen abstammt.




So vollgestopft mit Maorigeschichte und -kultur beschloss ich spontan, hangi zu machen; ein traditionelles Essen der Maori. Eigentlich werden das Fleisch und das Gemüse dafür mehrere Stunden lag in der thermal-heißen Erde vergraben, aber mein toller Campingplatz hatte einen mit heißem Erd-Dampf betriebenen Hangi-Ofen, der das ganze sehr gut simulierte und mir einen Haufen Buddel-Arbeit ersparte. Lamm und diverses Gemüse (u.a. Kumaras und Kürbis) wurde zerschnippelt und gewürzt, zwei Stunden in den Hangi-Ofen damit und fertig. Und was soll ich sagen... so zartes Fleisch hab ich im Leben noch nicht gegessen. Es zerging auf der Zunge, wie man so schön sagt. ;)