Sonntag, 31. Mai 2009

Landschafts-Overkill

Von Okura nach Wanaka

An diesem Tag wurde ich leider nicht von der Sonne begrüßt, also warf ich mich schnell ins Auto und schaute nach, ob sie schon ohne mich losgefahren war.


Ich fuhr so schnell wie innerhalb der erweiterten Grenzen des Legalen möglich, doch auf dem gesamten Highway 6 war sie nicht zu finden. Über den Haast Pass überquerte ich die ersten Ausläufer der Southern Alps und machte kurz Rast am Thunder Creek und den Fantail Falls, zwei wunderschönen Beispielen für Gletscherbäche.



Nach dem Haast Pass führte die Straße zuerst am Wanaka Lake entlang und dann am Lake Hawea, die schneebedeckten Bergkuppen immer am Horizont.



Die Fahrt dauerte fast den ganzen Tag, da ich einfach immer wieder an den Straßenrand fahren musste, um die fantastische Landschaft zu genießen und noch ein paar mehr Fotos zu machen.


















Abends kam ich schließlich in Wanaka an, das allerdings aufgrund der nahe gelegenen Skigebiete ziemlich touristisch daher kam und selbst jetzt in der Nebensaison von typischen Touristen bevölkert wurde, die mehr Sinn für das nächstgelegene Café hatten als für die wunderbare Landschaft, in der sie sich befanden.


Ich fuhr also schon ein paar Kilometer in Richtung Queenstown über die Crown Range Road, die zu einem ziemlich gefährlichen und teilweise verschneiten Pass führte, wie ich am nächsten Tag noch feststellen sollte. Ich campierte einfach an einer verlassenen Nebenstraße, was sich als gute Entscheidung herausstellen sollte.

Samstag, 30. Mai 2009

top 10 things to do before you die

Von der Bruce Bay über die Jackson Bay nach Okura

Der Morgen an der Bruce Bay war kalt und früh. Trotzdem schälte ich mich aus dem Schlafsack und begann mit den Frühstücksvorbereitungen. Gaskocher auf volle Power, Topf drauf und vier Eier rein. Fünf Minuten später hatte ich erstklassigen Spiegeleitoast. Und das ist definitiv eines der top 10 things to do before you die: Spiegeleistoast an der neuseeländischen Westküste mampfen, während die Sonne so langsam aufgeht.




Nach einem kurzen Abstecher zum Lake Paringa, der allerdings fast schon langweilig normal war, ging es an der Küste entlang zum Knight Point, einer markanten Felsformation, die nach dem Hund eines Landvermessers benannt wurde, der hier 1965 tätig war.


Beim Ship Creek Beach fuhr ich an einen typischen wilden Westcoast Strand und lernte gleich noch etwas über die lokale Botanik. Spannender war allerdings mal wieder die Maorilegende zu einer der Gräserarten, die außergewöhnlich nahe an der Wasserlinie wachsen. Das Pingao-Gras oder auch "Tane's eyebrows" geht zurück auf einen alten Streit zwischen Tane, dem Gott des Waldes, und seinem Bruder Tangaroa, dem Gott der See. Als Zeichen des Friedens rupfte sich Tane eine Augenbraue aus und bot sie Tangaroa an. Dieser war allerdings immer noch eifersüchtig auf seinen erfolgreicheren Bruder, also warf er die Augenbraue zurück an die Küste. Er warf sie allerdings nicht besonders weit und die Augenbraue fasste Wurzeln und wurde zu Pingao-Gras, welches wesentlich näher am Wasser wächst als die meisten Pflanzenarten.





Nach dem Besuch des Visitor Centers in Haast ging es im Affenzahn über eine Schotterpiste zum Martyr Saddle, der allerdings im Anbetracht der weiten Fahrt durch eine eher mittelmäßig gute Aussicht enttäuschte. Die rallymäßige Rückfahrt zu Sounds von Fat Boy Slim ("If you walk without rythm, you won't attract the worm!") fügte ich wieder meiner top 10 things to do before you die Liste hinzu, die mittlerweile über sieben Dutzend Einträge stark ist. (Schätzung!) ;)



Ich fuhr die Straße an der Westküste weiter so weit nach Süden, wie es ging, und landete an der Jackson Bay, das allerdings ziemlich ausgestorben war. Damit hatte ich die Westcoast von Norden bis Süden abgeklappert und konnte am nächsten Tag von Okura aus ins Fjordland aufbrechen.


Freitag, 29. Mai 2009

Die Tränen des Lawinenmädchens

Von Franz Josef zur Bruce Bay

Da ich bisher noch nie einen Gletscher live gesehen hatte, war ich entsprechend gespannt. Ich hatte schon einige coole Fotos gesehen von Leuten, die in blauen Eishöhlen rumlaufen und mit großen Eishacken auf massive Eisplatten einhämmern. Sowas wollte ich auch. Dann gleich die schlechte Nachricht am Infoschalter: Zu diesen blauen Höhlen aus Frischeis kommt man nur im Rahmen einer geführten Tour mit dem Hubschrauber. Kostenpunkt: Für mich unbezahlbar. :( Und bei den billigeren Touren ohne Heli konnte man nur ein wenig unten am Gletscher rumlaufen und zuhören, was der geschulte Guide einem so über Gletscherhistorie und so weiter zu erzählen hatte. Boooring.
Ich begnügte mich also mit dem ganz normalen Walk zum Gletschertor, was auch schon beeindruckend genug war, wie ich fand. Zuerst ging es etwas durch den bekannten und allgegenwärtigen Busch und dann durch das ehemalige Flussbett des Gletscherflusses. Ehemalig deswegen, weil der Gletscherfluss alle paar Wochen seinen Weg ändert in dem Tal, welches durch die Gletscherbewegungen im Laufe der Zeit geschaffen wurde. So ein Gletscher bewegt sich nämlich recht schnell, was ich bisher nicht wusste. 1943 zerschellte ein Flugzeug 3,5km über dem Gletschertor (Ende des Gletschers). Sechseinhalb Jahre später erschien das Flugzeugwrack am Ende des Gletschers, was nach Adam Riese eine Eisgeschwindigkeit von 1,5m pro Tag bedeutet. Manchmal können es sogar 5m pro Tag werden. Damit leuchtet auch ein, warum Gletscher für Wanderer so gefährlich sein können, da sich ihre Beschaffenheit praktisch stündlich ändern kann.



Auch die Ausdehnung des Gletschers hat sich über die Jahre gewaltig geändert. Heute ist die Eiszunge ungefähr 13km lang, um 1970 war sie einige Kilometer kürzer, um 1750 reichte der Gletscher bis zum Parkplatz, der zu Fuß immerhin eine Stunde entfernt war und vor 2000 Jahren bedeckte das Eis sogar die Stelle, wo heute das Dorf Franz Josef ist. Überall am Boden konnte man abgeschrubbte Steinreste finden, die der Gletscher von den Felsen übrig gelassen hatte als er sich durch die Landschaft schob. Auch an den klippenartigen Felswänden waren überall Gletschernarben zu erkennen.




Der für Neuseeland etwas ungewöhnliche Name Franz Josef wurde übrigens von Julius Haast in 1865 zu Ehren des österreichischen Kaiser vergeben, als er das Eisgebirge als erster Europäer entdeckte.
Die Maori haben natürlich wieder eine romantische Story, die sich um die Entstehung des Gletschers dreht: Sie nannten den Gletscher früher "Ka Roimata o Hine Hukatere" bzw. "Tränen des Lawinenmädchens". Der Legende zufolge kletterte das Lawinenmädchen, dessen liebste Beschäftigung das Wandern im Gebirge war, zusammen mit ihrem Geliebten in die Berge, wo dieser tragischerweise zu Tode stürzte. Das Lawinenmädchen vergoss bittere Tränen, die zu der Gletscherzunge gefroren.
Nachdem ich mich sattgesehen hatte, machte ich noch einen kurzen Abstecher zu Peter's Pool, in dem sich der Franz Josef Gletscher wunderbar spiegelt.


Gleich danach ging es zum benachbarten Fox Gletscher, dessen Zugang allerdings gesperrt war, da vor einigen Tagen ein paar hundert Tonnen Stein an den Talwänden herunter gekommen waren und den Weg etwas demoliert hatten. Selbst die Straße zum Parkplatz am Gletscher musste umgeleitet werden, weil sich das Ergebniss eine Erdrutsches auf der alten Straße breit gemacht hatte.



Lustigerweise werben die Unternehmen, die Führungen am Fox Gletscher durchführen, für sich, indem sie den Fox mit dem Franz Josef vergleichen. Der Fox sei zwar kleiner, dafür nicht so steil, also nicht so anstrengend und man komme näher an ihn heran etc. Interessanterweise wird der Name des Franz Josef in den Prospekten nie erwähnt, es ist immer nur die Rede von "other local glacier" *gg*. Das erinnert ein wenig an die Werbung für Spülmittel: Während Villarriba mit Fairy Ultra spült und seine überdimensionierte Lassagne-Schale schon sauber geschrubbt hat und sich italienischen Weißwein hinter die Schläfen kippt, putzen sich die Leute aus Villabacho noch immer die Finger wund, weil sie leider nur ein "herkömmliches Spülmittel" verwenden. Wann werden sie lernen... wann?
Während Julius Haast den Franz Josef nach seinem Kaiser benannte, hat der Fox Gletscher einen fast ebenso selbstlosen Namen. 1872 benannte der damalige Premierminister Sir William Fox den Gletscher einfach nach sich selbst... grandios.
Jetzt weiß ich auch endlich, was Gletschermehl ist. Das sind kleinste Gesteinspartikel, die der Gletscher zerrieben hat und von dem Gletscherfluss abgeführt werden, der dadurch milchig getrübt wird.

Kurz vor Sonnenuntergang machte ich noch schnell die Runde um den Lake Matheson, der für seine Spiegelungen berühmt ist. Dummerweise plantschte die ganze Zeit ein Entenpaar darin herum, was natürlich die spiegelglatte Oberfläche etwas versaute. Dummerweise ist Jagen in dem Nationalpark verboten, sonst hätte ein gezielter Schuss mein fotografisches Problem gleich zusammen mit der Abendessenfrage geklärt. Ich übte mich in Geduld und erwischte einen stillen Moment.





Zur Nacht parkte ich einfach an der Bruce Bay und genoss den Sonnenuntergang. Kaum hatte ich mich da werbewirksam positioniert, kamen auch gleich ein paar Campervans angefahren und machten es mir nach, mit dem Unterschied, dass die windscheuen Touristen sich nicht aus ihren weißen, rollenden Schlafkästen trauten und mich durch ihre Autoscheiben beobachteten, anstatt die Natur in vollen Zügen zu genießen. Ich machte mir mein Essen direkt am Strand warm, holte eine große Flasche Wein aus meiner Kühltasche und prostete dem Sonnenuntergang mit einem kräftigen Schluck zu. Zufrieden beobachtete ich die neidischen Touristenumrisse in ihren Vans und löffelte meinen Topf leer. Ich meine, wo liegt der Sinn, sich direkt mit dem Auto am Strand zum Übernachten hinzustellen, wenn man sich nicht mal die Mühe macht, wenigstens einmal kurz die Nase in den Wind zu stecken und zu schnuppern, wo man eigentlich gelandet ist. Mir egal, ich genoss das in diesem Moment beste Essen der Welt und leerte zusammen mit der Sonne das Glas.

Donnerstag, 28. Mai 2009

Naturgeräuschphobie

Von den Pancake Rocks nach Franz Josef

Nach einem schockierend unfranzösischen Frühstück begleiteten mich die beiden Französinnen pünktlich zur Flut zu den Pancake Rocks und den Blowholes, wo das Bild jetzt schon ganz anders aussah. Durch den hohen Wasserstand drückten die Wellen ihr Wasser mit einer solchen Gewalt in die kleinen Zwischenräume zwischen den einzelnen Pfannkuchenfelsen, dass dem Meer als einzige Fluchtmöglichkeit der Weg nach oben blieb. Das resultierte dann nach einem gewaltigen Gedonnere in einer mächtigen Wasserfontäne, die auf einmal zwischen den Felsen empor spritzte.



Komischerweise lief eine der beiden Französinnen recht fix an diesem donnernden Felsen vorbei und hielt sich dabei ganz fest die Ohren zu. Sie habe eine leichte Phobie vor solchen Naturgeräuschen, antwortete sie auf meine neugierige Frage, was denn los sei. Und tatsächlich: In einem der ruhigeren Momente entspannte sie sich ein wenig und nahm die Hände endlich mal auf Normalhöhe, aber - wie das halt so ist - auf die Ruhe folgt bekanntlich der Sturm und im nächsten Moment gab das Meer ein exorbitantes Getöse von sich, als eine Riesenwelle gegen die Pfannkuchenfelsen krachte. In diesem Moment fing die arme Frau an, etwas panisch herum zu fuchteln, presste sich die Hände wieder fest an die Ohren, verfiel in eine Art Flucht-Laufschritt und verzog ganz schrecklich das Gesicht, so wie man es manchmal bei stereotypischen Frauen sieht, die mit einer Hausspinne konfrontiert werden. Ich fragte ihre Freundin, wie denn die Nacht so gewesen sei; schließlich stand ihr Van nur ein paar Meter vom windgepeitschten Meer entfernt. Als Antwort erhielt ich nur ein augenverdrehtes Kopfschütteln und ließ das Thema damit ruhen.
Die zu 50% naturgeräuschphobischen Französinnen fuhren weiter nach Norden, ich fuhr weiter nach Süden und machte ab und zu an einem der windigen Strände halt. An einem traf ich ein junges Mädel, das etwas angewidert nach dem Schaum trat, der hier ausnahmsweise zu finden war und mich fragte, was denn dieses seifige Zeugs sei. Ob dies daran lag, dass ich so unendlich kompetent auf dem Gebiet der ekligen Strandschäume aussehe oder einfach der einzige Typ weit und breit war, weiß ich nicht, aber ich musste zugeben, dass ich nicht die Bohne Ahnung von diesen weißen Luftblasengebilden hatte. Aber immerhin taugte die Seifensülze prima als conversation starter und ich bekam heraus, dass die gute Frau mit dem Rad an der Westcoast unterwegs war. Sie hatte einen Monat Äpfel gepflückt und nun das gesparte Geld in ein Fahrrad investiert. Noch heute wollte sie Greymouth erreichen. Wir unterhielten und noch ein wenig, sie stieg wieder aufs Rad, nur um eine Minute später wieder am nächsten brutal steilen Hügel abzusteigen und zu schieben. Ich überlegte, ob es an ihrer Stelle nicht sinnvoller gewesen wäre, noch einen Monat weiter zu pflücken und sich ein Auto zu kaufen. Ich kam zu keinem Schluss und war 15 Minuten später in Greymouth.



Greymouth ist als Stadt so hässlich wie die Nacht, was schon allein daran liegt, dass die Leute dort für eine halbwegs funktionierende Brücke insgesamt vier Anläufe gebraucht haben... die Ruinen der alten Brücken stecken noch immer im Fluss. Auch sonst gab es wenig zu sehen in Greymouth, da die Stadt als eine der wenigen in Neuseeland fast vollständig industriell gewachsen ist. Ich fuhr also weiter nach Hokitika und dort zum Hokitika Gorge, einem Tal, in dem das Flusswasser mit ungewöhnlich viel Gletschermehl angereichert ist, welches das Wasser extrem türkis färbt und ziemlich abgedreht aussieht. Was Gletschermehl genau ist, würde ich erst am nächsten Tag erfahren, wenn ich mir den Franz Josef und den Fox Gletscher ansehen würde.



Auf dem Weg zur Gorge nahm ich einen fröhlichen aber etwas geschafften Tramper mit, der mitten in der Wildnis plötzlich an der Straße stand. Er war mit seinem Kumpel auf einer sechstägigen Wanderung gewesen, als auf einmal das Wetter so schlecht wurde, dass die Schneefallgrenze um einige hundert Meter sank und sie auf dem Wanderweg innerhalb weniger Minuten knietief im Schnee standen. Also sind sie so schnell vom Berg herunter, wie sie konnten. Ich glaubte ihm die Story sofort, denn von seinem Geruchsreifegrad hätte ich ihn locker auf ein bis zwei Wochen geschätzt. Ich ließ ihn fast zwanzig Kilometer weiter bei seinem Auto heraus, wo er auf seinen Kumpel warten wollte, der es querfeldein versuchen wollte.
Ich brachte noch den kurzen Weg ins Dorf Franz Josef hinter mich und bekam sogar abends noch meine Ration an Steg-Idylle.