Montag, 13. Oktober 2008

Seegurkenperspektive

Letztens lernte ich, dass Vorsicht geboten ist, wenn auf der südlichen Halbkugel in Superlativen gesprochen wird. Ich schaute mir Kelly Tarlton's Antarctic Encounter and Underwarter World an, eines der "größten Aquarien der südlichen Hemisphäre". Riesenschildkröten, Haie, Stachelrochen, Piranhas, Seepferdchen usw. gab es zu sehen und vieles davon in einem großen 2 Mio Liter Becken, durch das man in einem Glastunnel durchlaufen konnte (bzw. sich auf einem Laufband hindurch befördern lassen konnte) und damit praktisch die Perspektive einer Seegurke hatte. Ich nehme einfach mal an, dass Seegurken den ganzen Tag am Meeresgrund rumliegen.


Eine naturgemäß speckige "Lernen durch Anfassen" Ecke für Kinder gab es auch, in der man einen Schildkrötenpanzer oder Seesterne unter ein "Mikroskop" halten oder sich lustige Hai-Kostüme anziehen konnte.
Außerdem gab es die orginal nachgebaute Hütte von Captain Robert Falcon Scott, dem bekannten Südpolforscher, zu bewundern und gleich danach konnte man Pinguine durch ihren (nachgebauten) natürlichen Lebensraum stapfen sehen.
Alles in allem recht beeindruckend und informativ, aber so wirkliche Begeisterung wollte sich bei mir während des ganzen Aufenthalts nicht einstellen.
Vielleicht lag es daran, dass alles in diesem Aquarium etwas... naja... mickrig wirkte. Als erstes (!) kommt man nämlich in den Restaurant-Bereich, in dem das an sich nicht kleine Riesenschildkröten-Becken etwas verloren wirkt. Der zweite Eindruck sind dann gleich daneben die Stachelrochen, an deren Becken der Hinweis angebracht ist, dass "Phoebe" mit einem Gewicht von mehr als 200 kg und einer Spannweite von über 2 Metern das größte Tier im Aquarium ist. Da drängt sich schnell der Gedanke auf: "Na toll, ich bin erst seit fünf Minuten hier drin und habe das größte und schwerste Highlight schon gesehen... was kommt denn jetzt bitte noch?"

Und damit liegt man auch gar nicht so verkehrt, wie ich finde. Nach den Stachelrochen geht man fix an ein paar Schalentieren vorbei und ist auch schon im Herzstück des Aquariums, dem untertunnelten 2 Mio Liter Becken. Es ist schon beeindruckend, sich praktisch direkt unter Wasser zu befinden, aber Leute mit leichter Klaustrophobie hätten in dem engen Tunnel so ihre Probleme. Durch die dicken Glasscheiben wird einem der Blick auch dermaßen verzerrt, dass sich bei mir doch recht bald leichte Kopfschmerzen eingestellten. Trotzdem kann man auch nicht so einfach wegsehen, wenn nur wenige cm entfernt die Haie ihre Runden drehen. Nach einem großen Raum mit mehreren Becken an den Wänden (wie man das aus Zoos halt so kennt) ging es dann endlich zu den Pinguinen. Dazu steigt man in ein albernes Gefährt, wie man es in einer Geisterbahn verwenden würde, in der es -10° sind, fährt unfreundlicherweise direkt durch Captain Robert Falcon Scotts Hütte und kommt durch einen Raum, in dem sich auf einmal die Wände zu drehen beginnen bis einem kotzübel ist. Da man sich in einem geschlossenen Vehikel befindet, wird die Übelkeit taktisch klugerweise bis zum Ende der Fahrt unterdrückt, was auch nicht mehr lange auf sich warten lässt, denn es dauert nun mal nicht lange, einige wenige Dutzend Quadratmeter Schneelandschaft zu umrunden, in der ein Haufen Pinguine gelangweilt rumsteht. Diesen Anblick fand ich persönlich eher traurig.


Tja, und das wars dann auch schon. Versteht mich nicht falsch, ich will das ganze Aquarium jetzt nicht schlecht reden... das große Becken und die vielen Tiere, die man sonst nicht zu Gesicht bekommt, waren sehr beeindruckend, aber insgesamt war das Erlebnis sehr ambivalent. (Seit der Recherche für meine Diplomarbeit ist das eines meiner Lieblingswörter!) ;)

Faszinierender Inhalt, aber eben irgendwie billig präsentiert... so könnte man es vielleicht auf den Punkt bringen.
Und das ist sehr schade, wenn man bedenkt, dass Kelly Tarlton praktisch sein halbes Leben damit verbracht hat, dieses Aquarium zu planen und sich damit einen Lebenstraum zu verwirklichen. Naja, immerhin hat dieser Mann in der anderen Hälfte seines Lebens ziemlich erfolgreich nach versunkenen Schätzen gesucht und z.B. die Rothschild-Juwelen geborgen. Und kurz nach der Fertigstellung des Aquariums ist Kelly Tarlton dann von der Lebensbühne abgetreten. Wenn das mal kein ausgefülltes Leben war: 25 Jahre Schätzen hinterher tauchen und Meeresforschung betreiben und weitere 25 Jahre diese Arbeitsumgebung für Nichttaucher nachbauen.

Naja, hier noch ein paar Bilder aus dem Aquarium:

Das sind übrigens Hai-Eier. Diese kleinen Schatten sind Mini-Haie, die sich demnächst ihren Weg an die Spitze der Nahrungskette knabbern werden.








ps: Michael, ein guter Freund aus Konstanz und begabter Hobbyfotograf treibt sich gerade in Peru rum (mit einem kleinen Abstecher nach Mexiko). Hier der Link zu seinem Blog, schaut mal rein.

pps: Wenn wir schon bei Links sind: Vor ein paar Wochen hatte ich das Vergnügen, Sofia Minson kennen zu lernen. Eine waschechte Küstlerin, die damit ihr Geld verdient. Um ehrlich zu sein, hatte ich immer gedacht, dass sowas nur in Filmen oder so möglich ist, aber anscheinend geht es ihr damit ganz gut. Ihrer Aussage nach steht sie auch ganz gewöhnlich morgens auf, nur dass sie nicht ins Büro oder sonst wo hingeht, wo "normale" Leute halt so arbeiten, sondern sich ins Atelier setzt und 8 Stunden am Tag malt. Kann auch recht langweilig werden, wie sie versicherte. ;)
Schaut Euch mal Ihre Website an und fangt schon mal an für eines ihrer Bilder zu sparen. :P

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Oha, welche Ehre!
Da muss ich doch schleunigst was über Peru reinstellen, sonst wirkt mein Blog ja wie ein Schwindel... ;)

Übrigens: Verglichen mit dem SeaLife Konstanz war das Aquarium doch garantiert beeindruckend!? Die Fotos jedenfalls sind es.

LG, Michi

Simon hat gesagt…

Hehe, freut mich, wenn ich Dir einen kleinen Motivationsschub geben konnte. ;)

Naja, also im SeaLife KN konnte ich problemlos zwei oder drei Stunden verbringen, aber das ist auch schon ein paar Jährchen her. Außerdem hab ich mich darin wohl gefühlt.
Im Kelly Tarlton hingegen wurde man dieses beengte Gefühl irgendwie nie los... vielleicht lag das daran, dass das ganze Ding völlig unterirdisch angelegt ist. *gg*

Simon hat gesagt…

Achja, ich gehe übrigens davon aus, dass ich auch bei Dir verlinkt werde! :P