Dienstag, 15. Juli 2008

Mädchenkriege

Von Russell bis Omapere

Montag letzter Woche wurde früh aufgestanden, schließlich war ja ein Werktag! ;) Garfield war schnell verabschiedet, denn ich wollte noch das Städtchen Russell besichtigen und herausfinden, wie man sich am zeitgünstigsten die Bay of Islands anschauen kann.
Aber zuerst muss ich ein paar Wörtchen über Russell verlieren, denn hier gings geschichtsträchtig hoch her: Ursprünglich war die Stadt eine befestigte Maorisiedlung, die auf den schönen Namen "Kororareka" (übersetzt "süßer Pinguin") hörte. 1830 war dann aber Schluss mit einträchtiger Romantik, denn dann wurde die Gegend Schauplatz der blutigen "Mädchenkriege". Angeblich buhlten zwei Maorimädchen um die Gunst und damit auch das Vermögen des erfolgreichen Walfängerkapitäns Brind. Während des Buhlens liefen sich die beiden Grazien einmal zufällig am Strand über den Weg und es kam zu einem heftigen Wortwechsel und schlussendlich Handgreiflichkeiten. Wie es so kommen musste, bekamen die jeweiligen Familien der Mädchen Wind von dem Vorfall, so dass es zu Racheaktionen auf beiden Seiten kam, die innerhalb von wenigen Wochen mehrere hundert Menschen das Leben kosteten, bis Missionare endlich ein Friedensabkommen vermitteln konnten.
Außerdem kam es 1845 während des Northland-Landkriegs zu wilden Belagerungen und Kämpfen um die Stadt, als Hone Heke, der Häuptling der Hgapuhi damit drohte, den Flaggenmast der Pakeha (diese stellten in der Zeit wohl die Vertretung der Regierung dar) zu fällen, was er davor schon dreimal getan hatte. Durch ein Ablenkungsmanöver gelang ihm dies auch und die Regierungsvertretung musste sich aus der Stadt zurückziehen. Während des Rückzugs wurde der Kapitän der HMS Hazard (dem Schiff der Pakeha) schwer verwundet, worauf sein Vertreter den Befehl gab, die Kanonen auf die Stadt abzufeuern. Durch diesen Beschuss wurden fast alle Gebäude der Stadt zerstört bzw. schwer beschädigt.
In den Folgejahren war Russell ein Treffpunkt für geflohene Strafgefangene, Walfänger, Prostituierte und betrunkene Seefahrer. Selbst Charles Darwin hielt sich dort eine Weile auf und schrieb über den Ort, dass er mit dem "Abfall der Gesellschaft" angefüllt sei. Bald erhielt Russell den Beinamen des "Höllenlochs des Pazifiks".

Soweit der Reiseführer... ich machte mich also auf, um mir die Überreste der Vergangenheit des nun geläuterten Städtchens anzusehen.




Eines der wenigen Gebäude, die den Beschuss von 1845 überstanden haben, ist die Christ Church, die älteste Kirche Neuseelands. Mit etwas Phantasie konnte man beim Besichtigen noch Einschusslöcher von Musketen und Kanonen entdecken. Nebenbei: Charles Darwin spendete Geld für den Bau der Kirche.


Dann gab es da noch das Pompallier House, das letzte erhaltene Gebäude der römisch, katholischen Mission im westlichen Pazifik. Aufgrund des überhöhten Eintrittspreises sparte ich mir das und die damit verbundene Geschichte, in der es eh nur um christlichen Buchdruck ging. Booooring!

Dann war es auch schon Nachmittags, ich wollte aber noch unbedingt die Bay of Islands sehen, DIE Sehenswürdigkeit schlechthin im Norden Neuseelands. So ziemlich alle Filmsequenzen, aus denen man Neuseeland kennt (außer denen auf Bergen und Gletschern und so) sind wohl hier oder zumindest in der Gegend gedreht worden. Die Bay of Islands besteht auf ca. 150 kleinen Inseln, die glücklicherweise unbebaut geblieben sind. Auch hier ist einiges Geschichtsträchtiges passiert, aber das überspringe ich jetzt einfach mal. (Friedensverträge zwischen 46 Maori-Häuptlingen wurden hier unterzeichnet.)
Ich ging ins kleine Fährhaus und informierten mich. Eine normale Tour dauerte ca. fünf Stunden, aber so viel Zeit hatte ich nicht. Daher entschied ich mich für die zeitsparende Alternative: Jetboat! Dieses Highspeedgerät fuhr genau die gleiche Strecke wie die normalen Fähren, nur... naja, etwas schneller, so 50 Knoten ungefähr. Genau das richtige für den zeiteffektiv Reisenden. Das Tickets wurde erworben und die restliche Stunde bis zur Abfahrt damit verbracht, den Berg zum vorhin erwähnten Flaggenmast, dem "Flag Pole" hochzukrakseln. Ich hätte ja auch mit dem Auto fahren können, direkt davor gab es einen Parkplatz mit dazugehöriger Straße, aber aus irgendeinem Grund war ich der Meinung, dass es zu Fuß spannender wäre. Naja, nachdem ich dann endlich oben war, stieg mein Respekt für den guten Hone Hake ins Unermessliche, der diesen Weg schon vor 160 Jahren insgesamt viermal hoch- und runtergelaufen war und sich auf dem Hügel auch noch beim Flaggenmast fällen sportlich betätigt hatte. Aber für den Ausblick lohnte es sich und ich wurde aufgrund des wechselhaften Wetters in der kurzen Zeit, die ich dort oben verbrachte, gleich mit mehreren Regenbögen zugeballert.





Interessant anzusehen war dort eine Gruppe junger Mädels, die von ihrer mutmaßlichen Oma zu einer Geschichtsstunde auf den Hügel gekarrt worden war. Angestrengt lasen sich alle aufmerksam die Infotafel durch, auf der die ganze Flaggenmast-Story eingemeißelt war. Kurz vorweg: Der ursprüngliche Flaggenmast (der ja mehrmals gefällt worden war, also folglich aus Holz bestanden hatte) war mittlerweile durch einen massiven Stahlpfahl ersetzt worden. Nach dem Lesen schaute eines der Mädels ganz verwundert auf den Pfahl und fragte die anderen sinngemäß: "Wie zur Hölle hat der Typ es geschafft, dieses Metall-Ding mit 'ner Axt umzukloppen?" Kommentar überflüssig. *patsch*


Nachdem ich zuende gelacht hatte, ging es wieder herunter zum Anleger, wo auch schon das Jetboat angeschippert kam. Irgendwie hatte ich mir das schneller vorgestellt. Nach einer kurzen Einweisung und dem Anlegen von Wasserschutzanzügen wurde ich auch schon auf so einer Art robusten Gartenstühlen auf Deck platziert und schon gings los. Dann wurde mir auch klar, warum das anfangs so lahm ausah: Innerhalb der Hafenzone musste der Kapitän natürlich abbremsen... aber nachdem diese passiert war, drückte er auf die Tube, dass es einem nur so die Tränen aus dem Augen quetschte. Mit 50 Knoten heizten wir über die etwas unruhige See und hüpften dabei gelegentlich über kleinere und größere Wellen, die einem das Essen im Magen reorganisierten. An besonders hübschen Inseln oder Stränden hielt das Boot an, so dass wir kurz Gelegenheit erhielten, Fotos zu machen oder sich zu übergeben... nee, scherz, aber rein theoretisch wäre es möglich gewesen. ;) Höhepunkt war die Durchquerung des "Hole in the Rock", eines unterhöhlten Gesteinsmassivs. Nach gut 90 Minuten waren wir dann auch schon zurück in Russell und das war auch ganz gut so, denn allein vom Fahrtwind wurde einem irgendwann dann doch kalt, trotz zwei Pullis und zwei Jacken.
In Russell lief ich dann noch einmal am Strand lang...







...und machte mich dann auf nach Okiato, um dort mit der Fähre nach Opua überzusetzen. Diese Dschungelstrecke vom Vortag wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Von dort ging es weiter nach Omapere, wo ich in der Globetrackers Backpacker Lodge unterkam.








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