Mittwoch, 19. November 2008

Der Anfang der Welt

Von Rotorua zum East Cape

An diesem Tag entfernte ich mich weiter von meinem Startpunkt Auckland als ich es in der gesamten vorangegangenen Woche getan hatte. Rotorua war ausreichend besichtigt worden also machte ich mich in Richtung Osten auf den Weg. Von Rotorua erst ein Stück nord-östlich durch den Tarawera Forest bis an die Küste der Bay of Plenty, wo ich kurz in Whakatane halt machte und danach am Ohope Beach und Waiotah Beach vorbei kam. Rechts und links immer wieder begleitet von bis zu 10m hohen Hecken, die die Kiwi-Plantagen vor dem oft starken Wind schützen sollen. Bei Opotiki kam ich auf den State Highway (SH) 35, dessen 350km ich bis zum East Cape gut zur Hälfte abfuhr. Hört sich nicht nach einer Gewaltfahrt an und sieht auf der Karte auch nicht sonderlich problematisch aus, doch zu unterschätzen ist diese Strecke auf keinen Fall. Die kurvige Straße führt fast nur durch hügeliges Land (noch hügeliger als man es in Neuseeland eh schon gewohnt ist) und bietet keine Möglichkeit, den Berg hochkriechende Laster zu überholen, auf die man ab und zu doch mal trifft. Daher dauerte der Bau des SH 35 auch mehrere Jahrzehnte und verschlang so viele finanzielle Mittel wie selten ein Straßenprojekt in Neuseeland.
Wem diese Straße eigentlich nutzen soll, fragt man sich spätestens, wenn man Opotiki hinter sich gelassen hat und ein paar Kilometer an der Küste der Bay of Plenty zurückgelegt hat. Die East Coast ist eines der am wenigsten besiedelten Gebiete der neuseeländischen Nordinsel und die auf Touristen oder auch nur auf Backpacker ausgelegten Orte am SH 35 kann man auch an zwei Daumen abzählen: Opotiki, dort fängt die Straße an, und Gisborne, dort endet die Straße. Dazwischen gibt es nur 350km Ausblicke auf dramatisch unberührte Strände (Treibgut!) und nebelverhangene Hügel. Die paar Orte, durch die ich hindurch kam, wirkten sehr heruntergekommen und ärmlich, fast schon ausgestorben. Wenn man dazu dann noch weiß, dass die East Coast einer der Landstriche mit der höchsten Maori-Dichte unter der Bevölkerung ist, dann wirft das ein leicht trostloses Licht auf eines der großen sozialen Probleme des Landes. Trostlos ist auch eigentlich das richtige Wort, um diesen ganzen Tag zu beschreiben, denn so richtig gute Laune will sich nicht einstellen, wenn man stundenlang an verfallenden Hütten und nebeligen Stränden vorbeituckert.
Bei dem problemlos übersehbaren Ort Te Araroa verließ ich den SH 35 zu Gunsten einer Schotterpiste, die mich zum East Cape führte. Dort wollte ich mir den Leuchtturm am östlichsten Punk Neuseelands anschauen, doch mittlerweile war es schon so dämmerig, dass der 20minütige Aufstieg (über privates Land!) bei Tageslicht nicht mehr zu schaffen war. Ich rastete also auf dem einzigen (und vollkommen verlassenen; niemand war dort!) Campingplatz in der Gegend mit dem Plan, um morgen als allererster auf der Welt vom Leuchtturm am East Cape die Sonne aufgehen zu sehen. Ohne ein Zeichen von jeglicher menschlicher Existenz fühlte sich das East Cape an wie das Ende der Welt, aber technisch gesehen ist es dank Datumsgrenze ja der Anfang der Welt... sozusagen.


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