Montag, 1. Dezember 2008

Anno 1602

Von Wellington über Palmerston North nach Wanganui

Am nächsten Tag stellte ich fest, dass ich wirklich schon genug hatte von Wellington. Die Stadt ist zwar schön anzusehen und man könnte sich bestimmt problemlos schnell darin wohl fühlen, aber es ist einfach ziemlich nervig, sich darin fortzubewegen. Und um ehrlich zu sein, sind die Städte in Neuseeland nicht das Highlight schlechthin. Für großartige Städte kann man auch in Europa bleiben, immerhin ist die Besiedlung durch städtebauende Europäer in Neuseeland gerade mal gute 200 Jahre her.
Ich fuhr also ein letztes mal in die Stadt auf den Mt. Victoria, von dem man einen umfassenden Blick über die Hafenstadt hat. Auf der Aussichtsplattform wurde ich durch ein großes, blaues Polygon davon informiert, dass ich mich nur gute 5000km vom Südpol entfernt befinde. Also fast schon Eisbergalarm. Naja, ich verließ die mit 164.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Neuseelands und ihren "Großstadtcharme".


Auf dem Weg an der Westküste entlang wurde die Besiedlung schnell wieder dünner und es gab endlich wieder einen Haufen Landschaft zu bestaunen; und das ist etwas, womit Neuseeland einen hinter jeder Kurve erneut erstaunen kann. Bei Paraparaumu fuhr ich an den Strand, um Kapiti Island zu bewundern, die dem gesamten Landstrich den Namen Kapiti Coast praktisch aufdrückt. Kapiti Island ist schon seit über hundert Jahren Naturschutzgebiet und man braucht eine spezielle Genehmigung vom DOC, um sie betreten zu dürfen. Und selbst dann dürfen nur 50 Leute pro Tag auf die Insel, auf der einige sehr seltene und auf dem Festland bereits ausgestorbene Vogelarten leben. Da ich bekanntlich nicht der geborene Vogelbeobachter bin, ließ ich die landschaftlich etwas an Rangitoto erinnernde Insel hinter mir und fuhr weiter Richtung Norden.


Vor Palmerston North machte ich einen Schlenker zur Manawatu Gorge, einer Schlucht, die von den Maori Te Apiti ("enge Passage") genannt wird und ihnen - wie so viele Landstriche hier - heilig ist. In der Schlucht gibt es einen rötlichen Felsen, der nach maori-Erzählungen seine Farbe ändert, wenn ein berühmtes Mitglied vom Stamm der Rangitane stirbt oder Blut vergießt. Diese Felsen - den die Rangitane als Schutzgeist ansehen - konnte man von der Straße nur leider nirgendwo erkennen. Vielleicht hätte ich doch die dreistündige Wanderung machen sollen oder eine Jetboat Tour durch die Schlucht buchen sollen. Wie so etwas die Heiligkeit der Schlucht unterstreicht ist mir schleierhaft, aber die saftigen Preise für die Jetboat Touren scheinen zumindest teilweise ein Äquivalent darzustellen. Aber die freie Wirtschaft hat Überzeugungen ja schon lange als handelbares Gut aufgenommen.
Egal, ich nahm einfach an, dass schon so lange kein Blut mehr vergossen wurde, dass der Felsen ganz blass geworden und so nicht mehr vom Wasser unterscheidbar war... es ging zurück über die kurvige Straße nach Palmerston North.
Palmerston North ist eine lustige, quadratisch aufgebaute Stadt. Beim Durchfahren musste ich sofort an Anno 1602 denken, denn im Zentrum von "Palmy" gibt es eine riesige Rasenfläche, die keine praktische Verwendung zu haben scheint. Genau wie in Anno 1602, wenn man beim Aufbau seiner Siedlung absichtlich in der Mitte Platz lässt, weil man das Spiel schon öfter gespielt hat und genau weiß, dass die Einwohner eine Kathedrale verlangen werden, sobald genug Tabak und Alkohol von den Nachbarinseln heran geschafft wurde. ;)
Erstaunlicherweise gibt es in Palmerston North die größte Uni Neuseelands, noch größer als Auckland University... und das in einer Stadt, die einwohnermäßig von Elmshorn ausgestochen wird. Von der resultierenden Studentendichte bekam ich allerdings nichts mit, da ich mich während meines kurzen Aufenthalts in der Stadt im Schoko- und Karameldelirium befand.
Ach ja, dann gab es da noch den Rosengarten (mal wieder^^), der 2003 zu einem der schönsten fünf Gärten der Welt gekürt wurde.


Nach diesem kleinen Abstecher in Landesinnere war mein nächstes Ziel Wanganui, das etwas weiter nördlich an der Kapiti Coast liegt. Auf dem Weg kam ich durch einen Ort namens "Bulls", in dem jedes(!) Ladenschild mit einem Bullen verziert war, und ich bekam eine gratis Kunstflugshow direkt über meinem Kopf geboten... solche Piloten müssen schließlich auch mal üben. War schon lustig, wie der Verkehr auf der Landstraße auf einmal ganz gemächlich mit Tempo 40 über die Straße tuckerte und - was erstaunlich ist - sich niemand am Schneckentempo störte als die fünf Flieger mit den ersten Loopings anfingen. Und das in einem Land, in dem Überholverbot in Kurven für Jeeps nicht zu gelten scheint... selbst wenn man selber mit 110 Sachen die Grenzen der Landstraßengesetze bis auf die maximale Fehlertoleranz ausreizt.
In Wanganui angekommen baute ich mein Zelt auf, schaute mir die niedliche Innenstadt an (wo ich wieder auf Art-déco traf) und beendete den Tag mit einem klitzekleinen Campinggläschen Wein am Whanganui River.


Keine Kommentare: