Dienstag, 2. Dezember 2008

Forgotten World

Von New Plymouth auf den Forgotten World Highway

Auch am zweiten Tag in New Plymouth versteckte der Mt. Taranaki sich hinter seiner Wolke aus Tränen, also ließ ich den deprimierten Berg links liegen und fuhr weiter. Östlich des Mt. Taranaki - man könnte fast sagen: im Landesinneren - gibt es außer hektarweise Wald kaum etwas anderes zu bestaunen. Das ist übrigens fast generell überall so in Neuseeland: Das Leben ballt sich an den Küsten und dort auch nur stellenweise; sobald man etwas weiter ins Landesinnere fährt gibt es nur noch grüne Hügel, und davon eine Menge! Nachdem ich nun wochenlang fast nur an der Küste entlang gefahren war, beschloss ich, diese grüne Hügellandschaft und das neuseeländische Buschland wenigstens einen ganzen Tag auf mich wirken zu lassen. Eine der besten Möglichkeiten, mit eigenen Augen zu sehen, warum Neuseeland auf Landkarten immer so überdurchschnittlich grün ist, bietet der Forgotten World Highway (SH 43), der östlich des Mt. Taranaki beginnt und gute 150km mitten durch das Hinterland führt. Außerdem führt diese Straße vorbei an einigen Relikten aus alten Zeiten, in denen abenteuerlustige Siedler versuchten, das Hügelland zu erschließen und zu besiedeln, aber oft scheiterten.
Ich fuhr von New Plymouth in Richtung Süden nach Stratford (dort beginnt der Forgotten World Highway), wo ich mich im Infocenter ein Heftchen besorgte, das alle Stationen des Heritage Trails auflistet. Meistens handelte es sich bei diesen Relikten entlang der Straße um Reste befestigter Maori-Dörfer, stillgelegte Kohleberge, kleine Museen, Wasserfälle oder Siedlungsorte. Schnell war klar, dass von diesen Siedungsversuchen mittlerweile kaum noch etwas übrig war, da die Natur in dieser Gegend sehr unzugänglich ist. Daher ist das Erlebnis des Forgotten World Highways auch schwer in Bildern festzuhalten; links und rechts gibt es stundenlang eigentlich nur grüne Hügel oder Buschland zu sehen, aber wenn man irgendwo mitten in der Natur einen halben Schornstein als letzten Rest einer Siedlung oder einen Steinhaufen als Überbleibsel einer Maori-Festung entdeckt, dann bekommt man sehr schnell eine bedrückend genaue Vorstellung, wie beschwerlich das Leben vor einiger Zeit gewesen sein muss, als es z.B. die Straße noch gar nicht gab.
Ich ließ diese Eindrücke auf mich wirken und machte nur zwei kleine Abstecher von meinem Weg: Zuerst zum Makahu Tunnel, der vor über hundert Jahren gebaut worden ist. Dieser vielleicht 150m lange Tunnel wurde um die Jahrhundertwende unter extremen Strapazen in den Fels gehackt und gesprengt, um 3(!) km Weg über die Hügel zu sparen. Fortbewegung muss in dieser Gegend damals einfach nur ein Albtraum gewesen sein.


Mein zweiter Schlenker führte mich zu den Mt. Damper Falls, laut Forgotten World Highway Broschüre der höchste Wasserfall der Nordinsel. Ein kurzer Fußweg führte mich vorbei an aufgeregt blökenden Schafen, die in dieser einsamen Gegend wohl nicht so häufig einen Menschen zu Gesicht bekommen. Der Wasserfall war aber leider nicht besonders kräftig, da es in den letzten Tagen wenig geregnet hatte, und aufgrund der Höhe von ca. 80m kam am unteren Ende nur ein wenig Sprühregen an.



Die Geschichte meines nächsten Stops am Forgotten World Highway ist eigentlich recht amüsant: Es gibt da ein Dörfchen namens Whangamomona, das lokale Beamte 1988 der Region Manawatu angliedern wollten. Eigentlich nichts besonderes, aber das hätte bedeutet, dass die Anwohner von Whangamomona dann für den Rivalenbezirk Rugby hätten spielen müssen. Das passte den Leuten mal sowas von gar nicht in den Kram, dass sich Whangamomona nach einigen bürokratischen Streitigkeiten von Neuseeland lossagte und die Bürger ihre eigene Republik gründeten. Heute gibt es einen Grenzposten (der anscheinend nur selten besetzt ist), einen Präsidenten und sogar ein eigenes Landesbier.
Es hieß, dass der Präsident sowieso immer im einzigen Restaurant des Dorfes rumhängt und sich immer über Leute freut, denen er die Story seines Landes erzählen kann, also hatte ich den Plan, in Whangamomona kurz zu halten und mit dem Präsidenten ein Whangamomona-Bier zu schlürfen. Nachdem ich das ulkige "Welcome to the Republic of Whangamomona" Schild passiert hatte, bot sich aber ein eher trübes Bild: Der klohäuschenartige Grenzposten war nicht besetzt und die Häuser waren derart herunter gekommen, dass man sie fast ebenfalls für Relikte aus früheren Zeiten halten konnte. Außerdem beäugte mich die zweistellige Einwohnerzahl von Whangamomona derart argwöhnisch, dass ich mich um keinen Preis traute, im Restaurant nach dem Präsidenten zu fragen oder auch nur anzuhalten.
Naja, vielleicht starte ich im Januar 2009 einen zweiten Versuch, denn dann feiert Whangamomona seinen Unabhängigkeitstag und zelebriert seine Abspaltung zusammen mit über 5000 Gästen, die meist auf Auckland anreisen, mit Schafsrennen, Opossumhäuten und natürlich Whangamomona-Bier.

Keine Kommentare: