Sonntag, 17. Mai 2009

Freiheitsdiagnose

Abel Tasman Track

Früh morgens versammelte ich mich zusammen mit den ganzen Verrückten, die unbedingt bei einstelligen Wassertemperaturen eine Kajaktour machen wollten, an der Aqua Taxi Station. Ich wurde mit ein paar ebenso kälterealistischen Japanern, Peruanern und zwei Engländerinnen in ein Motorboot auf einem Anhänger geladen, das unser durchweg positiver Wassertaxifahrer mit einem Traktor zum Strand zog. Wir warfen der Gruppe selbsterwählter zukünftiger Wassersportler noch einen mitleidigen Blick zu, wie sie sich jetzt schon in ihren Schwimmwesten und leichten, wasserabweisenden Klamotten einen abfroren.
Unser Traktorfahrer zog uns hunderte von Metern auf dem Anhänger durchs seichte Wasser bevor er genau an der Stelle anhielt an der es anscheinend plötzlich tiefer wurde. An dieser Stelle stieg unser Vertrauen in den Mann noch weiter, er schien das schon eine Weile zu machen... keiner der Leute im Boot hätte erkennen können, dass es da auf einmal tiefer wurde, wie wir einhellig feststellten. Es besteht aber auch die ganz geringe Wahrscheinlichkeit, dass unser Traktorfahrer sich auch einfach nur an einer bestimmten Boje orientiert hat, die massenweise im Wasser rumschwappten. Um die allgemeine bewundernde Stimmung nicht zu trüben, behielt ich diese Möglichkeit allerdings für mich. ^^
Mit einem beherzten Tritt auf die Bremse schubste uns unser Chauffeur mit dem Boot vom Anhänger, ließ den Traktor von einem Handlanger zurückbefördern und hüpfte zu uns aufs Boot. Auf dem Weg übers Wasser zeigte er uns ein paar mittelmäßig spannende gespaltene Felsen und ein paar Wasservögel. Nichts grundlegend Neues, aber der Unterhaltungswille soll gewürdigt werden. Eine knappe Stunde Fahrt später kickte er die zwei Engländerinnen, einen Amerikaner und mich an der Bark Bay aus dem Boot und brauste davon. Obwohl klar war, wo der Wanderweg losgeht, kam ich mir ein wenig wie ein Schiffbrüchiger oder wie einer der Leute aus "Lost" vor, die an einer einsamen Insel gestrandet sind. Außer einem verlassenen DOC Campingplatz gab es sonst weit und breit kein Zeichen von Zivilisation.


Nach einer kurzen Unterhaltung machten sich die Engländerinnen und der Amerikaner unabhängig von einander auf den Weg, ich ließ mir ein wenig Zeit, da ich erst das spätere Wassertaxi zurück nehmen wollte. Von der freundlichen Dame am Campingplatz hatte ich mir sagen lassen, dass es in der Nähe der Bark Bay in der anderen Richtung einen netten Aussichtspunkt geben solle, dessen Zugang ich allerdings fast eine Stunde lang vergeblich suchte. Um das "auf einer Insel vergessen" Gefühl los zu werden, machte ich mich auf, einen Teil des Abel Tasman Tracks abzulaufen, der als einer der schönsten Wanderwege der Welt gehandelt wird.



Nebenbei: Abel Tasman mag zwar als erster Europäer diesen Landstrich entdeckt haben, hat allerdings interessanterweise nie einen Fuß an Land gesetzt. Bei dem ersten Zusammentreffen seiner Kundschafter mit den hier lebenden Maori wurden vier seiner Leute aus unbekannten Gründen umgebracht. Tasman überlegte sich das mit dem Landgang dann spontan doch anders, benannte die Bucht in "Murderers Bay" und machte sich aus dem Staub.
Die Rückzugsoption mit dem Schiff hatte ich gerade verspielt, also blieb mir nur der Landweg in Form des Abel Tasman Tracks zur Torrent Bay.


Wer vorher noch nie in Neuseeland gewandert ist, für den ist der Abel Tasman Track sicherlich etwas extrem außergewöhnliches. Ich war allerdings etwas ernüchtert, woran ich aber wahrscheinlich auf Grund meiner überhöhten Erwartungen selbst Schuld war. Trotzdem ist dieser Landstrich etwas ganz besonderes. Er verbindet das typische grüne neuseeländische Buschland mit immer wieder auftauchenden Aussichten auf paradisische Strände, die unberührt scheinen. Zu einem etwas unzugänglichen Strand stieg ich hinunter und wurde für den etwas beschwerlichen Abstieg belohnt: Mir eröffnete sich eine vollkommen unberührte Sandfläche mit goldgelbem grobkörnigen Sand. Ich hinterließ die ersten Fußspuren auf der goldenen Ebene, setzte mich in den Sand ans Ufer und genoss die absolut menschenleere Stimmung und Ruhe.





Mit dieser Ruhe war allerdings Schluss als mir etwas später an einer Hängebrücke eine Gruppe stereotypischer Amerikaner entgegen kam. Das unverkennbare Familienoberhaupt war mit Cowboyhut und einem in allen Dimensionen fetten USA-Shirt verziert und stellte die Landschaft andauernd in Relation zu Kansas, das ja soviel besser sei. Dann fing die Gruppe an, laut in den Wald hinein zu rufen. Erstaunlicherweise antwortete der Wald mit einem ausgeprägten Südstaatenakzent... so verständigen sich amerikanische Touristengruppen also im neuseeländischen Dschungel. Mir drängte sich sofort der Vergleich mit sich auf der Nahrungssuche befindlichen Affenhorden auf, von denen ein Rudel die größte Bananenplantage des Planeten gefunden hat. Da wäre das Geschrei ähnlich groß. Ich verwarf diesen Vergleich auf Grund seiner mangelnden politischen Korrektheit, hatte diesen Absatz aber leider gedanklich schon formuliert... nichts zu machen.



Ein paar Stunden später und zahlreiche fantastische Aussichten später kam ich am Strand der Torrent Bay an. Ich setzte mich zu einer Niederländerin in den Sand, die ich schon einmal auf dem Weg getroffen hatte. Es stellte sich heraus, dass sie Ärztin war, und ich bereute sofort, meine leichten Knieschmerzen erwähnt zu haben. Vier Diagnosen später machte sie sich weiter auf den Weg und ich machte noch ein paar Fotos am Strand bevor das Taxi mich wieder abholte.




Auch wenn die Wanderung mir keine sonderlich neuartigen Eindrücke brachte - was ich unberechtigterweise wohl erwartet hatte - so verdient der Abel Tasman Track zu Recht den Ruf, ein ausgesprochen schöner Wanderweg zu sein, da er alle bekannten landschaftlichen Besonderheiten Neuseelands in unglaublich fotogener Form an einander reiht. Ein absolut fantastischer Tag.

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