Donnerstag, 28. Mai 2009

Naturgeräuschphobie

Von den Pancake Rocks nach Franz Josef

Nach einem schockierend unfranzösischen Frühstück begleiteten mich die beiden Französinnen pünktlich zur Flut zu den Pancake Rocks und den Blowholes, wo das Bild jetzt schon ganz anders aussah. Durch den hohen Wasserstand drückten die Wellen ihr Wasser mit einer solchen Gewalt in die kleinen Zwischenräume zwischen den einzelnen Pfannkuchenfelsen, dass dem Meer als einzige Fluchtmöglichkeit der Weg nach oben blieb. Das resultierte dann nach einem gewaltigen Gedonnere in einer mächtigen Wasserfontäne, die auf einmal zwischen den Felsen empor spritzte.



Komischerweise lief eine der beiden Französinnen recht fix an diesem donnernden Felsen vorbei und hielt sich dabei ganz fest die Ohren zu. Sie habe eine leichte Phobie vor solchen Naturgeräuschen, antwortete sie auf meine neugierige Frage, was denn los sei. Und tatsächlich: In einem der ruhigeren Momente entspannte sie sich ein wenig und nahm die Hände endlich mal auf Normalhöhe, aber - wie das halt so ist - auf die Ruhe folgt bekanntlich der Sturm und im nächsten Moment gab das Meer ein exorbitantes Getöse von sich, als eine Riesenwelle gegen die Pfannkuchenfelsen krachte. In diesem Moment fing die arme Frau an, etwas panisch herum zu fuchteln, presste sich die Hände wieder fest an die Ohren, verfiel in eine Art Flucht-Laufschritt und verzog ganz schrecklich das Gesicht, so wie man es manchmal bei stereotypischen Frauen sieht, die mit einer Hausspinne konfrontiert werden. Ich fragte ihre Freundin, wie denn die Nacht so gewesen sei; schließlich stand ihr Van nur ein paar Meter vom windgepeitschten Meer entfernt. Als Antwort erhielt ich nur ein augenverdrehtes Kopfschütteln und ließ das Thema damit ruhen.
Die zu 50% naturgeräuschphobischen Französinnen fuhren weiter nach Norden, ich fuhr weiter nach Süden und machte ab und zu an einem der windigen Strände halt. An einem traf ich ein junges Mädel, das etwas angewidert nach dem Schaum trat, der hier ausnahmsweise zu finden war und mich fragte, was denn dieses seifige Zeugs sei. Ob dies daran lag, dass ich so unendlich kompetent auf dem Gebiet der ekligen Strandschäume aussehe oder einfach der einzige Typ weit und breit war, weiß ich nicht, aber ich musste zugeben, dass ich nicht die Bohne Ahnung von diesen weißen Luftblasengebilden hatte. Aber immerhin taugte die Seifensülze prima als conversation starter und ich bekam heraus, dass die gute Frau mit dem Rad an der Westcoast unterwegs war. Sie hatte einen Monat Äpfel gepflückt und nun das gesparte Geld in ein Fahrrad investiert. Noch heute wollte sie Greymouth erreichen. Wir unterhielten und noch ein wenig, sie stieg wieder aufs Rad, nur um eine Minute später wieder am nächsten brutal steilen Hügel abzusteigen und zu schieben. Ich überlegte, ob es an ihrer Stelle nicht sinnvoller gewesen wäre, noch einen Monat weiter zu pflücken und sich ein Auto zu kaufen. Ich kam zu keinem Schluss und war 15 Minuten später in Greymouth.



Greymouth ist als Stadt so hässlich wie die Nacht, was schon allein daran liegt, dass die Leute dort für eine halbwegs funktionierende Brücke insgesamt vier Anläufe gebraucht haben... die Ruinen der alten Brücken stecken noch immer im Fluss. Auch sonst gab es wenig zu sehen in Greymouth, da die Stadt als eine der wenigen in Neuseeland fast vollständig industriell gewachsen ist. Ich fuhr also weiter nach Hokitika und dort zum Hokitika Gorge, einem Tal, in dem das Flusswasser mit ungewöhnlich viel Gletschermehl angereichert ist, welches das Wasser extrem türkis färbt und ziemlich abgedreht aussieht. Was Gletschermehl genau ist, würde ich erst am nächsten Tag erfahren, wenn ich mir den Franz Josef und den Fox Gletscher ansehen würde.



Auf dem Weg zur Gorge nahm ich einen fröhlichen aber etwas geschafften Tramper mit, der mitten in der Wildnis plötzlich an der Straße stand. Er war mit seinem Kumpel auf einer sechstägigen Wanderung gewesen, als auf einmal das Wetter so schlecht wurde, dass die Schneefallgrenze um einige hundert Meter sank und sie auf dem Wanderweg innerhalb weniger Minuten knietief im Schnee standen. Also sind sie so schnell vom Berg herunter, wie sie konnten. Ich glaubte ihm die Story sofort, denn von seinem Geruchsreifegrad hätte ich ihn locker auf ein bis zwei Wochen geschätzt. Ich ließ ihn fast zwanzig Kilometer weiter bei seinem Auto heraus, wo er auf seinen Kumpel warten wollte, der es querfeldein versuchen wollte.
Ich brachte noch den kurzen Weg ins Dorf Franz Josef hinter mich und bekam sogar abends noch meine Ration an Steg-Idylle.


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